ImpulsKultur

400 Tage kein Kaffee.

By April 7, 2020 4 Comments

Zwischen all der großen Herausforderungen vor denen wir gerade stehen kommen einem manche Probleme, Gedanken oder Sachverhalte trivial vor. Ich versuche mich gerade dieser Tage oft in die Lage zu versetzen wie ich mit diesen augenscheinlich unwichtigen Dingen umgegangen bin, als noch Alles normal war. Ob es der wegfallende Arbeitsweg, die Mittagspause alleine, oder eben der ausbleibende Kaffee mit den Kollegen ist. Letzteres wird besonders offensichtlich, wenn der Tag neu strukturiert und aus dem Home Office bestritten wird. Als ich vor über 14 Monaten, Februar 2019, aufgehört habe Kaffee zu trinken, war der Hintergrund eher zufällig. Ich hatte eines Tages zu viel Koffein und es ging mir schlecht. Ich entschied eine Woche Pause zu machen. Aus der Woche wurde ein Monat und aus dem Monat ein Jahr. Wie das manchmal so ist bei kleinen Herausforderungen. Folgende Dinge haben sich während diesen Jahres für mich verändert von denen ich heute in Zeiten von Home Office und Isolation umso mehr profitiere.

1. Ich hatte mehr Zeit. Viel mehr Zeit.

Nach dem Kaffeereport 2019 von Tchibo trinken Deutsche im Durchschnitt 3,6 Tassen Kaffee am Tag (hier sind auch die nicht Kaffee Trinker einkalkuliert). Ich landete meistens bei mindestens 4 Tassen. In manchen Berufsgruppen wie bei den Informatikern oder in der Baubranche werden sogar mehr als 5 Tassen am Tag getrunken, während Pädagogen bei nur ca. 1 Tasse pro Tag landen. Fakt ist, jede Tasse Kaffee bedarf Zeit. Den Weg zur Maschine, die Wartezeit, die Trinkdauer, er Weg zurück. Sofern ich den Kaffee selbst aufbrühe und auch mahle, kommen weitere Minuten hinzu. Treffe ich einen Kollegen und bespreche ein Projekt geht es noch etwas länger. Selbstverständlich sind diese Pausen wichtig und ähneln für viele einem Ritual. Gerade in anspruchsvollen Phasen benötigen wir Pausen um wieder leistungsfähig zu sein. Auch der Austausch untereinander ist sehr wichtig und sollte gefördert werden, doch das ist hier nicht der Punkt. Ich würde schätzen pro Tag habe ich zwischen 45 und 60 min. an Zeit hinzugewonnen.

2. Meine Konzentrationsfähigkeit stieg.

Direkt zu Beginn wurde meine Aufmerksamkeitsspanne zugegebenermaßen erst schlechter. Ich war schnell abgelenkt, hatte das Gefühl etwas vergessen zu haben. Sobald sich diese innere Unruhe, der Bedarf an Koffein allerdings gelegt hatte, verzeichnete ich durchaus längere Konzentrationsphasen. Ich hatte nicht mehr im Hinterkopf “Noch 40 Minuten dann gibt es Kaffee”, was gleichermaßen meine Arbeitsqualität als auch den geleisteten Output positiv beeinflusste. Je länger ich von Tag X, also dem Ende meines Kaffeekonsums entfernt war, desto normaler wurden längere Konzentrationsphasen.

3. Ich sparte eine Menge Geld.

Nur knapp 50% der Arbeitgeber in Deutschland unterstützen Ihre Arbeitnehmer mit kostenfreiem Kaffee. Im Restaurant, im Café, auf der Autobahn ist er natürlich auch nicht umsonst und sicher auch um einiges teurer. Sofern man eine Kapselmaschine zu Hause hat steigen auch hier die Kosten enorm. Während Pad Kaffee bei ca. 10 Cent pro Tasse liegt, werden für Kapseln schnell 40-50 Cent fällig, von den ökologischen Kosten abgesehen. Nach brandeins ist Kaffee mit 162 Litern pro Kopf Konsum das in Deutschland beliebteste Getränk noch vor Bier. Im Durchschnitt geben wir etwas mehr als 50€ pro Jahr nur für den Hausgebrauch aus. ToGo, auf der Arbeit, mit Freunden, im Café (schnell über 3€ der Becher) sind hierbei nicht eingerechnet. Ich gehe davon aus pro Jahr weit mehr als 800€ für Kaffee ausgegeben zu haben.

4. Weißere Zähne und reinere Haut.

Dunkle Getränke wie Rotwein, manche Teesorten, sowie Kaffee aber auch andere Dinge wie Nikotin hinterlassen Spuren auf unseren Zähnen. Schon nach den ersten Wochen konnte ich durch den Wegfall von täglich einigen Tassen Kaffee deutlich hellere Zähne verzeichnen. Ein nicht überaus relevanter, aber schöner Nebeneffekt. Ein weiterer schöner Nebeneffekt hatte der Wegfall von Kaffee auf mein Hautbild. Durch das Ausbleiben musste ich meinen Flüssigkeitshaushalt durch Wasser und Tee kompensieren, welche sich beide sehr positiv auf unser Hautbild auswirkten.

5. Ich konnte viel tiefer schlafen.

Weniger ein schöner Nebeneffekt, als vielmehr ein absolutes Highlight meiner Kaffee Abstinenz war der verbesserte Schlafrhythmus. Ich lag weniger wach, konnte tiefer schlafen, hatte erholsame Nächte und wachte weit weniger auf. Zeitgleich verkürzte sich meine Einschlafzeit enorm. Dies lässt sich oft auf einen geringeren Blutdruck zurückführen, welcher unsere Endogenen Rhythmen, also unseren Schlaf-Wach-Zyklus, beeinflusst. Dies ist zwar von Person zu Person unterschiedlich und hängt mit Alter, Gewicht, Stress und anderen Faktoren zusammen, hatte bei mir jedoch einen positiven Effekt auf meine Schlafeffizienz.

6. Kopfschmerzen who?

Zuvor einigermaßen anfällig für Migräne und Kopfschmerzen hatte ich seit Ausbleiben von Kaffee keine nennenswerte Migräneattacke. Auch leichte Kopfschmerzen bei kognitiver Beanspruchung und bei Kaffeeentzug hatte ich folglich keine mehr. Insgesamt fühlte sich mein Kopf ein wenig freier an, als wäre etwas kontinuierlicher Druck abgelassen worden. Das kann auch damit zusammenhängen dass ich mehr Wasser getrunken habe, war mir jedoch äußerst willkommen.

7. Ich nahm ein wenig ab.

In Kaffee vor allem mit Milch, Milchersatz und Zucker schlummern viele Kalorien. Gerade bei maschinellem Kaffee den es in Unternehmen häufig gibt ist das Milchpulver mit welchem Cappuccino und “Milchkaffee” gemacht werden ein großer Kalorienträger. Völlig unbewusst nahm ich daher wenige Kilogramm ab. Zunächst konnte ich die Ursache hierfür nicht genau determinieren, bis ich mich informierte. Für einen Cappuccino fallen schnell 50-75 Kalorien an, mit Zucker natürlich deutlich mehr. Bei vier Tassen pro Tag äquivalent zu einem Cheeseburger (300 Kalorien) oder drei Bananen (270 Kalorien).

8. Endlich weniger Magenprobleme.

Früher häufig von Sodbrennen geplagt, konnte ich durch das Weglassen von Kaffee in meiner Ernährung meinen Bedarf an Säurehemmern auf Null reduzieren. Selbst nach Alkoholkonsum oder fettigem Essen habe ich heute keinerlei dauerhafte Magenbeschwerden. Das liegt nach Dr. Bytof unter anderem an dem hohen Säuregehalt von Kaffee. Mit 3,5 – 4,5 pH liegt er deutlich unter dem von Tee (ca. 5,5 pH) und dem von Wasser (ca. 7 pH). Logisch, dass sich das auf den Säure Basen Haushalt auswirkt und auf Dauer nicht nur unbedingt gesund für unsere Magenschleimhaut ist.

Zusammenfassend kann ich nach nun mehr als 400 Tagen ohne Kaffee die positiven Auswirkungen nicht mehr wegdenken. Die durchaus guten Aspekte wie angeregter Stoffwechsel, neue Energie, sowie das Ausschütten von Glücksgefühlen und der sich stärkende Zusammenhalt im Team sind sicherlich Grund genug für viele im Büro Kaffee zu trinken. Jedoch wirken sich diese Gründe gerade jetzt leider deutlich negativer aus. Eine Studie von Tchibo hat gezeigt, das unser Kaffeekonsum zurück geht, wenn wir niemanden haben, mit dem wir den Kaffee gerne trinken. Im Umkehrschluss kann das bedeuten, dass wir Kaffee nicht nur wegen uns selbst, sondern auch wegen der Gesellschaft trinken.

Gerade in Zeiten der Isolation ist das natürlich nicht ganz einfach. Es fällt also für viele Kaffeetrinker gerade ein relevanter Baustein in Ihrem Arbeitsalltag weg. Zu der generellen Isolation kommt eine weitere verlorene Routine hinzu. Der intensiven Austausch den wir hauptsächlich in Kaffeepausen erleben durften fällt nun weg. War man zuvor nicht in der Lage eine persönliche Ebene abseits der Kaffeepause aufzubauen, fällt es jetzt schwierig das Zusammengehörigkeitsgefühl aufrecht zu halten. Personen die das Bilden persönlicher Ebenen mit Ihren KollegInnen auf diese kurze Zeit begrenzt haben fällt es nun schwieriger sich im Home Office nicht alleine zu fühlen.

Möglichkeiten diesem Gefühl der Abgeschnittenheit entgegenzuwirken sind Telefonate, Chatrooms, Collaboration Werkzeuge, Video Calls, gemeinsame Mittagspausen, oder eben virtuelle Kaffeepausen. Es ist wichtig sich nicht auf Einzelne, wie wir jetzt merken fragile Rituale in der Bildung Zwischenmenschlicher Beziehungen zu fokussieren, sondern fortlaufend den Dialog und Austausch mit dem sozialen Umfeld zu suchen. Die Kaffeepause ist nur ein Bindungselement und sollte meiner Meinung nach um viele Weitere ergänzt und von Unternehmen aktiv unterstützt werden. Hier bemerken Unternehmen gerade jetzt, wie wichtig eine starke persönliche Bindung zwischen den Mitarbeitern ist und wie stark sie den Aufbau dieser Beziehungen vernachlässigt haben.

„Mehr als jemals zuvor, braucht es jetzt einen vom Unternehmen geförderten sozialen Austausch zwischen den Kollegen.“

Die Durchführung von Teambuilding Maßnahmen war noch nie so relevant wie heute. Die Wechselbereitschaft bei Arbeitnehmern ist gerade in Krisenzeiten enorm hoch, sodass Unternehmen angehalten sind Ihre Gemeinschaft jetzt noch stärker zu fördern als zuvor. Nur weil wir unsere KollegInnen nicht sehen, heißt das nicht dass sie nicht da sind. Geschäftsführungen sind jetzt in der Pflicht sich um das soziale Wohl Ihrer Mitarbeiter zu kümmern. Heute merken wir sicher alle wie unwichtig der Kaffee, aber wie relevant der soziale Kontakt war.

Was ist eure Meinung dazu? Habt Ihr Anregungen oder Kritik? Ich freue mich riesig über eure Kommentare und Ideen zu diesem Thema.

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4 Comments

  • Olga Großmann sagt:

    Hey Mario, spannender Impuls-Beitrag, den ich bis zum Schluss lesen musste 🙂 Für mich bedeutet Kaffee trinken Lebensqualität. Alleine der Kaffee-Geruch…unwesentlich, ob zu Hause, im Office oder im schönen Café…
    Unser Aufenthalt in Australien dieses Jahr hat mir auch deshalb Spaß gemacht, weil die Kaffeekultur so ausgeprägt ist. An jeder Ecke befindet sich ein Café mit einem einladenden Ambiente und des Bedürfnisses nach kurzem Innehalten. Am Esspresso nippend die Menschen zu betrachten und kurz die Gedanken schweifen zu lassen, das entschleunigt, selbstverständlich nicht nur im Urlaub.

    Vielleicht setzt sich irgendwann ja auch eine Tee-Kultur durch? Das erinnert mich an das Buch „Die Kunst ein kreatives Leben zu führen“ von Frank Berzbach. Er hat der Schale Tee ein ganzes Kapitel gewidmet: Friede in einer Teeschale… und die Kunst, Tee zu trinken, um ein paar Ideen zu nennen. Das hat mich definitiv inspiriert 😉

    Viele Grüße an dich
    Olga

    • Mario Wolters sagt:

      Hallo Olga, vielen Dank für deine schöne Antwort :). Auch für mich beinhaltet Kaffee weit mehr als nur das Getränk.

      Hier in Berlin war ich Anfang des Jahres das erste Mal im MAMECHA, einem Tee Café. Die Stimmung ist die Selbe, das Gefühl das Gleiche, einzig das Getränk ein anderes. Das kommt der von Dir angesprochenen Tee-Kultur schon sehr nahe. Das Buch schaue ich mir gerne mal an, Danke für den Tipp.

      LG und bis bald.
      Mario

    • Seh ich genauso wie Olga. Bei mir gehören Radfahren und Espresso zusammen das hat für mich was mit Lebensqualität zu tun. Ich habe auch schon länger mal auf Kaffee verzichtet kann aber Deine Sichtweise nicht teilen, da ich solche Veränderungen nicht festgestellt habe. Und als Geschäftsführer eines kleinen Planungsbüros nutze ich die Kaffeepausen um mich mit meinen Mitarbeitern auszutauschen was sehr gerne angenommen wird. War schön Dich heute auf unserem Hausberg dem Kandel zu treffen viele Grüße und alles gute Christian

      • Mario Wolters sagt:

        Hallo Christian, danke für deine Antwort. Fand es auch super euch zu treffen, mittlerweile bin ich wieder in Berlin. Ich bin Dir auch auf Strava gefolgt, da bist du ja schon sehr gut unterwegs! 😉

        Die Veränderungen die ich wahrgenommen habe waren natürlich sehr individuell, und sind sicher nicht bei jedem spürbar. Gleichzeitig ist mir gerade der Punkt aktiv die Unternehmenskultur und den Austausch unter den Mitarbeitern auch außerhalb der Kaffeepausen zu fördern enorm wichtig. Gerade jetzt, wo diese wegfallen, ist es schwierig hierfür Ersatz zu finden. Sofern der Zusammenhalt im Team eben nicht auf der Kaffeepause alleine beruht, ist selbstredend nichts gegen Kaffee einzuwenden.

        Bis bald un VG.
        Mario

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